WERT |
Clauss Dietel:
"Die großen 5 L"
Langlebig sollten unsere Dinge sein. Menschliches weist über die Zeit eines Menschen hinaus. Nicht für den Tag und baldiges Wegwerfen, sondern für langes Nutzen sind die Sachen zu gestalten. Gebrauchspatina als ästhetischer Reiz des Nutzens und Brauchens muss dafür an den Produkten möglich sein. Nicht vor, sondern nach dem Nutzensende soll der moralische Verschleiß liegen. Die Alten fertigten und bauten Dinge, die mindestens drei Generationen nutzten. Heute wirft eine Generation sehr oft die Dinge mehr als dreimal weg. Dieses Prinzip ist durch Haltung zu überwinden. Sie setzt ein "offenes Prinzip der Gestaltung" voraus. Fest dabei das Verhältnis des Produkts zum Menschen und zur Gesellschaft, offen jenes gegenüber technischen und technologischen Neuerungen - diese nach Bedarf austauschbar einzubringen. Grundprinzip eines lebendigen Funktionalismus, offen sich entwickelnd gegenüber geschlossenen, monofunktionellen und technizistischen Praktiken. Das macht die Dinge weniger endlich und lässt über die Teile von ihnen länger verfügen. Ökonomie wird auf Dauer mit langlebigen Dingen am effektivsten sein, Ökonomie der Qualität und des Gebrauchs dabei gegen die Ökonomie des Profits gestellt.
Leicht müssen unsere Dinge werden, um es uns nicht so schwer zu machen. Der Mensch ist meist ein intelligentes Wesen, nicht aber das kräftigste. Alles, was schwer ist, grenzt schöpferisch freien Umgang mit den Dingen ein. Materialökonomie setzt leichte Dinge voraus. Verwand mit leicht ist "licht". Leichte, lichte Bauten und transparente Dinge - Licht als Voraussetzung menschlichen Lebens herein- und durchlassend. Schöpferisches, anregendes Wechselspiel von innen und außen.
Lütt, klein, ist jede Sache im Raum anzustreben. Für "Designer" auch neudeutsch "little" zu nennen. Alles dingliche, was die Funktion erfüllend dies bei kleinstem Volumen erreicht, macht den Menschen größer. Es soll sich dienend verhalten, den Menschen wenig belasten - ihn freisetzen. Kluge, mehrfache Nutzung der Dinge unterstützt dies. Nicht technische Minimierung, sondern menschliche Physis ist dafür alleiniger Maßstab. Ihr ist durch Funktionskopplung oder -trennung das technisch machbare zuzuordnen.
Lebensfreundlich soll die zweite Natur erwachsen, die der Mensch sich erschafft. Als gesellschaftliches Wesen, aber biologischer Natur, kann er bei dem Risiko seiner Existenz darauf nicht verzichten. Fertigung, Verteilung und Nutzung der Dinge müssen deshalb durch ihre Gestaltung auf ökologische Verantwortung hin entwickelt werden. Alle biologischen Prozesse sollen nicht belastet, sondern gefördert werden. Der Psyche als wesentlicher Funktion menschlichen Lebens sollen die Dinge entsprechen. Das erfordert ästhetische Gestalt ohne Formenkanon, der Summe überkommener und gewachsener Kultur entsprechen und mit ihr wechselwirkend - zu erreichen durch künstlerische Arbeit für die Gestaltung.
Leise möchten die Dinge um uns sich verhalten. Förderlich dem Gespräch, dienend der Muse, dem Spiel und der schöpferischen Anstrengung - sie alle nicht störend. Lärm ist noch immer zu bekämpfen wie die Pest. Geräusche der Dinge hingegen harren noch weitgehend der gestaltenden Ordnung, sie verwandt zu machen der Sprache und der Musik. Leise auch wurden unsere Gedanken hier vorgetragen, um das Gespräch über sie zu ermöglichen. Hoffend, einiges davon ist eindringlich genug, um nicht wiederum in den Wind gesprochen zu sein, sondern um unverzichtbaren Funktionalismus durch Haltung und Tat zu befördern.
(1982)